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Verwandtenunterstützungspflicht – Wann kann eine Person unterstützungspflichtig sein?

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Simon Hänni Rechtsanwalt und Notar

bei Häusermann + Partner, Burgdorf und Fraubrunnen

Die familienrechtliche Unterstützungspflicht (Verwandtenunterstützung) führt  vermehrt zu Unsicherheiten. Häufig stellt sich die Frage einer möglichen Unterstützungspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern, wenn diese pflegebedürftig werden. Dieser Beitrag soll die Grundtagen darlegen und Unsicherheiten einer möglichen Unterstützungspflicht oder Unterstützungsberechtigung beseitigen.

 

Die familienrechtliche Unterstützungspflicht ist in den Artikeln 328 ff. ZGB geregelt. Art. 328 Abs. 1 ZGB sieht dabei vor, dass, "wer in günstigen Verhältnissen lebt, (...) verpflichtet (ist), Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden." Das Gesetz beschränkt die gegenseitige Unterstützungspflicht auf die Unterstützung von Verwandten in auf- und absteigender Linie (Kind- Eltern-Grosseltern). Weder pflichtig noch unterstützungsberechtigt sind Geschwister, Stiefeltern und Stiefkinder sowie verschwägerte Personen.

 

Weiter sind gemäss Art. 328 Abs. 1 ZGB nur diejenigen Verwandten unterstützungspflichtig, die in günstigen Verhältnissen leben. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts lebt in günstigen Verhältnissen, wem aufgrund seiner Einkommens- und Vermögenssituation eine wohlhabende Lebensführung möglich ist. Massgebende Bemessungsgrundlage ist dabei das steuerbare Einkommen zuzüglich Vermögensverzehr. 0b im Einzelfall ,,günstige Verhältnisse" vorliegen oder nicht, kann nur aufgrund der effektiven Umstände (z.B. der Lebenshaltungs- kosten) beurteilt werden. So ist es durchaus möglich, dass bei gleichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in einem Fall eine Unterstützungspflicht bejaht und in einem anderen Fall verneint wird. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SK0S) empfiehlt den Gemeinden denn auch, die Beitragsfähigkeit der Verwandten nur zu prüfen, wenn das steuerbare Einkommen der in Privathaushalten lebenden Verwandten über den nachfolgenden Sätzen liegt:

 

Alleinstehende:         CHF 120'000.00

Verheiratete:              CHF 180'000.00

Zuschlag pro Kind:    CHF   20'000.00

                                                               (minderjährig oder in Ausbildung)

Eine Unterstützungspflicht kann zudem ab folgenden steuerbaren Vermögen gegeben sein:

 

Alleinstehende:         CHF 250'000.00

Verheiratete:              CHF 500'000.00

Zuschlag pro Kind:    CHF   40'000.00

                                                               (minderjährig oder in Ausbildung)

 

Weiter stellt sich die Frage, wann eine Person unterstützungsberechtigt ist. Gemäss Art. 328 Abs. 1 ZGB muss sich die zu unterstützende Person in einer Notlage befinden. Dies ist der Fall, wenn sie sich den notwendigen Lebensunterhalt nicht mehr aus eigener Kraft  erarbeiten kann und ihr auch keine (genügenden) Ersatzeinkommen aus Versicherungsleistungen (Kranken- oder Arbeitslosengeld, Invalidenrente usw.) zur Verfügung stehen. In der Regel also dann, wenn sie auf Fürsorgegelder angewiesen ist.

 

Selbst wenn alle Voraussetzungen für eine Unterstützungspflicht gegeben sind, kann es sein, dass eine Unterstützungsleistung im konkreten Fall trotzdem nicht geschuldet ist, weil eine Unterstützung für den Pflichtigen nicht zumutbar wäre. Unbillig wäre es zum Beispiel, von Nachkommen Unterstützung für den Vater zu verlangen, der seine Familienpflichten grob vernachlässigte oder seine Angehörigen ständig mit Gewaltandrohung terrorisierte. Auch ein jahrelanger Kontaktabbruch kann die Unterstützungspflicht in Frage stellen. Die Unterstützung wird durch die Fürsorgebehörde geltend gemacht, welche für die unterstützungsberechtigte Person zuständig ist. In aller Regel strebt die Behörde an, mit den unterstützungspflichtigen Personen schriftliche Vereinbarungen abzuschliessen. Bei der Festlegung von finanziellen Beiträgen sind auch aktive Unterstützungen der pflichtigen Verwandten bei der Problembewältigung, wie beispielsweise Betreuungsleistungen, angemessen zu berücksichtigen. Kann keine Einigung erzielt werden, so kann die Fürsorgebehörde die Verwandtenbeiträge nicht einfach mit Beschluss oder Verfügung einfordern. Vielmehr müsste die zuständige Gemeinde eine Zivilklage erheben, die sich auf Unterhaltsleistungen für die Zukunft und für höchstens ein Jahr vor Klageerhebung erstrecken kann (Art. 279 ZGB).

 

Der Anspruch auf Leistungen ist von der Fürsorgebehörde in der Reihenfolge der Erbberechtigung geltend zu machen. Sind mehrere in Frage kommende Verwandte vorhanden, so sind primär die Verwandten ersten Grades (Eltern, Kinder) heranzuziehen. Unter Verwandten gleichen Grades besteht eine nach ihren Verhältnissen anteilmässige Verpflichtung.

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